Startseite
"Mir ging es um Identität"
von Marc Hohrath | Montag, 21. Juli 2008

ndragogikprofessor Jost Reischmann verlässt die Uni. Foto: Marc HohrathAndragogikprofessor Jost Reischmann geht "stolz und stark" in den Ruhestand.

Viele Kollegen und Studierende waren zu seiner Abschiedsvorlesung gekommen, um ihn persönlich zu verabschieden.

Es war ein denkwürdiger Marathon. Nach seinem Vorgänger und Lehrstuhlgründer Dr. Werner Faber, der bereits im Januar dieses Jahres  in den Ruhestand entlassen wurde, hieß es am 16. Juli nun auch für Jost Reischmann, seine Didaktikkoffer zu packen. Viele Kollegen und Studierende waren gekommen, um ihn persönlich zu verabschieden.

Ganze zweieinhalb Stunden dauerte die Abschiedszeremonie, unterstützt von vielen Weggefährten und Freunden, die ihm noch einmal via Laudatio "die Meinung sagen" wollten, dafür in einem Fall sogar extra Hochdeutsch gelernt hatten. Im Gegensatz zum frisch gebackenen Emeritus selbst, der lieber beim gewohnten Schwäbisch blieb. Alles Andere wäre auch ein unzumutbarer Stilbruch gewesen. Am Ende seiner lebhaften und fröhlichen Rede wurde das Publikum im Markushaus- Hörsaal noch mit einer retrospektiven Videoshow seines Sohnes und einem von seiner Tochter gesungenen Whitney Houston Song nebst Wunderkerzen im Publikum beeindruckt.

Andragogik? Andragogik!

Reischmanns Abschieds-Vortrag selbst stand unter dem Motto "Andragogik? Andragogik!" und sollte allen Gästen noch einmal vor Augen führen, wie wichtig Reischmann die Etablierung des eigenständigen Fachterminus Andragogik im Gegensatz zum landläufigen Begriff Erwachsenenbildung war und ist.

Dass die Unterscheidung und die von seinem Vorgänger Faber durchgesetzte Umbenennung des Fachbereichs mit all ihren juristischen Müh(l)en zumindet nicht auf lange Sicht die erhofften Früchte getragen hat, ist eine traurige Randnotiz. Reischmanns Lehrstuhl wird nach dem Willen der Hochschulleitung nicht neu besetzt, und zudem wieder in Erwachsenbildung umbenannt. Trotzdem: es wurde ein wirklich schöner Abend, der mit einem Gitarrenständchen von Studierenden unter der Leitung seiner Mitarbeiterin Dr. Susanne Gröne noch abgerundet wurde. Das Buffet war auch nicht schlecht.

Unikum "en passant"

Foto: privatJost Reischmann kann auf eine spannende Karriere zurückblicken. Der 1943 in Schwäbisch-Gmünd geborene Professor studierte zunächst an der dortigen  Hochschule Pädagogik, bevor er in Tübingen Psychologie und Soziologie im Zweitstudium nachholte. Er war als wissenschaftlicher Assistent und Akademischer Oberrat sowie als Leiter des Zeitungskollegs am Deutschen Institut für Fernstudien tätig. Er promovierte über "Unterrichtsevaluation", seine Habilitationsschrift befasste sich mit dem "Offenen Lernen von Erwachsenen". 1994 wurde er schließlich an den Lehrstuhl für Erwachsenbildung in Bamberg berufen.

Besonders hervor stechen aber seine im Ausland erworbenen Leistungen. 1993 wurde ihm der Titel "President of ISCAE (International Society for Comparative Adult Education) verliehen, 1999 folgte der Einzug in die  "International Adult and Continuing Education Hall Of Fame" in San Antonio, Texas. Weiterhin eine Mitgliedschaft im Nutzerbeirat des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung in Bonn sowie weitere Auszeichnungen in Prag und Belgrad.

"Der Prophet zählt nichts im eigenen Lande"

Offenbar scheint das Sprichwort "Der Prophet zählt nichts im eigenen Lande" für Jost Reischmann tatsächlich zuzutreffen. Sieg im Auswärtsspiel, unentschieden zu Hause, so könnte man eine grobe Bilanz  wagen. Dennoch: fünfzig neue Arbeitsplätze in Franken, 350 Absolventen, internationale Konferenzen und die "Adult Education Hall of Fame" in Bamberg kann er auf der Habenseite verbuchen.

Besonders gedankt werden wird ihm von studentischer Seite aber sicher seine Ambition bei  "Bamberg wichtelt" sowie seine legendäre Nachtvorlesung in der Aula. "Mir ging es immer um Identität", so Reischmann in seiner Rede, "darum, dass die Studierenden wissen, dass sie nicht irgendwer sind, sondern stolz und stark, selbstbewusst und kompetent ins Berufsleben gehen!"

Go West!

Go West. Foto: privatMit den Worten eines Laudators, des Markushaus-Dekans Dr. Bedford-Strohm, er möge doch trotz  des Abschieds bald einmal zurückkommen, wurde Reischmann ein Buch überreicht: "Ich bin dann mal weg" von Hape Kerkeling. Doch die baldige Rückkehr des Neu-Privatiers in seinen alten Arbeits- und Schaffensplatz ist wohl eine eher unwahrscheinliche Option.

"Normalerweise würde ich gerne weitermachen, auch über die offizielle Dienstzeit hinaus", so Reischmann gegenüber Ottfried, "aber dass mein Lehrstuhl nicht neu besetzt wird, ist für mich schon ein deutliches Zeichen. Ich ziehe es da wirklich lieber vor, zu gehen."

Auf die Frage, welche Pläne er nun habe, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen: "Reisen. Vor allem nach Arizona!" Reisen waren für den Wahlschwaben schon immer wichtig, was man anhand diverser Exkusionen mit seinen Studis unter anderem nach Prag, USA und Ägypten sehen konnte. Dementsprechend lautete die Antwort auf die Frage, was ihm am meisten fehlen werde, prompt "Meine Studierenden!!"

 

Bitte log dich hier ein oder melde dich hier einmalig neu an, um diesen Artikel zu kommentieren.
J! Reactions 1.09.00 • General Site License
Copyright © 2006 S. A. DeCaro

Zuletzt geändert: Sonntag, 7. September 2008
 
< Zurück   Weiter >

OTTcast - der Ottfried-Podcast

Mit einem Klick auf das Logo abonniert ihr den OTTcast. Eine Anleitung gibt es hier.
OTTcast im iTunes-Store abonnieren.

Ottfried.de als Newsfeed

Abonniert die neuesten Artikel von Ottfried.de
Advertisement
Advertisement
Advertisement